Am 12.08.2002 veröffentlichte die Freie Presse aus Chemnitz folgenden Artikel:
Gefiederte Stars zwischen Felsen
Neues Karl-May-Stück im Greifenstein-Theater
VON UTA TRINKS
Ehrenfriedersdorf. Ein bisschen unruhig wurden die Besucher
schon, als sie am Samstagnachmittag am Einlass zur Naturbühne
Greifensteine standen. Schließlich wartet es sich bequemer drinnen,
sitzend unter schattigen Bäumen, die bizarren Felsen im Blick. Doch
einige Darsteller brauchten erst noch eine letzte, ungestörte Übung,
bevor die Premiere des Schauspiels "Der Schut - In den Schluchten
des Balkan" über die Freilichtbühne gehen konnte.
Und das Ausharren hatte sich gelohnt. Die gefiederten Zweibeiner,
die dann - noch vor dem eigentlichen Stück - ihre Flug- und Jagdkün-
ste vorführten, waren von Frieder Eisenschmidt, der zudem sachkun-
dig aus dem Alltag einer Falknerei plauderte, bestens präpariert.
Gravitätisch und elegant zogen sie ihre Flugbahnen über das Areal,
was ihnen viel Beifall vom Publikum einbrachte, auch wenn dieses
zuweilen die Köpfe einziehen musste. Ob Falke, Habicht oder
Steinadler Tschitan, sie gaben sozusagen eine Doppelvorstellung, denn
in der Bühnenfassung frei nach Karl May hatten sie als wertvoller
Besitz des reichen Kaufmanns Kara Nirwan keine unwesentliche Rolle
zu spielen.
Mitten im Erzgebirge sind wir in einer exotischen Ecke der Erde
gelandet. Doch das Land der Skipetaren ist kein ruhiger Flecken. Hier
sind Angst und Schrecken Dauergäste. Karawanen werden überfallen,
es wird geraubt, entführt und erpresst. Der unheilvolle, grausame und
rätselhafte Schut treibt sein Unwesen. Eine schwarze Gestalt, deren
Gesicht noch keiner gesehen hat. Ob Hadschi Halef Omar und sein
gerade eingetroffener Freund Kara Ben Nemsi das Land von dieser
Geißel erlösen können?
Natürlich können sie. Niemand wird ernsthaft zweifeln, wir sind in
einer Karl-May-Geschichte, wo das Gute über das Böse triumphiert,
nicht anders als in den Indianerabenteuern im Wilden Westen, von
denen es auf den Greifensteinen auch schon einiges zu sehen gab.
Klaus-Hagen Latwesen ist ein erfahrener Freilicht-Regisseur. Sieben
Jahre lang war er der künstlerische Leiter der Bad Segeberger Karl-
May-Spiele. Nun hat er die "Schut"-Fassung für das Eduard-von-
Winterstein-Theater Annaberg-Buchholz geschrieben und sie auch für
die Sommersaison inszeniert. Er weiß genau, worauf es für die spezi-
ellen Bedingungen unter freiem Himmel ankommt. Kammerspiel ist
nicht gefragt, die Figuren bekommen in wenigen kräftigen Zügen ihr
Profil. Und da die Natur selbst mitspielt, mithin längere Wege zu
bewältigen sind, ist der Rhythmus eines solchen Theatererlebnissen
ein anderer als im festen Haus. Dafür sind attraktive Pferderitte
möglich. Überhaupt kommt, das zahlreiche Getier beim Publikum
prächtig an. Die Pyrotechnik darf mal so richtig loslegen mit Ballerei,
Nebel und Flammen. Auch Feuerschlucker und Bauchtanzgruppe
fehlen nicht. Die Fabel enthält die bewährten Zutaten eines Abenteuer-
stücks für die ganze Familie: Spannung, Action, heiter-ironische
Textpassagen.
Peter Anders sorgt als schwadronierender Hans-Dampf-in-allen-
Gassen Hadschi Halef Omar für manchen Lacher. Thomas Tucht
bleibt dagegen als Gutmensch Kara Ben Nemsi etwas gesichtslos. Die
„böse“ Fraktion hat es da leichter, sich in Szene zu setzen, vor allem
Folke Paulsen als zwielichtiger Kaufmann Kara Nirwan. Mit Giso
Weißbach und Leander de Marel sind die Karikaturen von zwei
Engländern mit von der Partie. Das Publikum geizte nicht mit
Applaus.